Der Odessa-Anker am Marc-Aurel-Ufer
Eigentlich steht er im Weg. Im Weg der schönen Lindenallee, die seit den 1980er Jahren symbolische die niedergelegt, mittelalterliche Stadtmauer entlang der Donau nachzeichnet. Doch diesen Advent sitze ich sehr gerne am mächtigen Odessa-Anker, der erst seit diesem Herbst als Skulptur an 30 Jahre Partnerschaft zwischen der Schwarzmeer-Perle und der unserer Steinernen Stadt an der Donau erinnert. Wenn ich mein kleines Lammfell auf den Betonsockel lege dann fühle ich mich trotz Winterwind und nasser Kälte, wohl an meinem Adventslieblingsort. Der Anker, fast geformt wie ein Herz, ist das Symbol der Hoffnung für mich. Vielleicht wie damals, als hier im 18. Jahrhundert unter Kaiserin Maria Theresia drei Schwabenzüge mit windigen „Ulmer Schachteln“ und „Kelheimer Plätten“, Schiffstypen aus Holz, Richtung Südosteuropa vorbei zogen. In der Hoffnung auf ein neues, besseres Leben. In mir schwingt da auch Sehnsucht mit. Sehnsucht nach unseren Gästen, die vor der Pandemie auch mit Schiffen hier angekommen waren. Und Sehnsucht nach einem Heiligen Abend ohne Lockdown und zwischenmenschlich einschränkenden Begegnungen.
Seit römischen Zeiten, bis 1910 war das Marc-Aurel-Ufer der Regensburger Hafen. Der Hotspot für Kommen und Gehen, für Nachrichten und Neuigkeiten. Wie viele Menschen haben hier im Lärm und Geruch der Waren-, Wein- und Fischvermarktung auf ihre Art in Regensburg geankert? Die Donau zieht meinen Blick an, die Regensburger Lebensader, die immer gleich scheint und doch stets neues Wasser bringt. Wasser, das für mich im Advent an diesem Lieblingsort für Hoffnung und Sehnsucht steht, für die Zeit, in der ich wieder den Schiffsgästen in Englisch und Spanisch erzähle, wie cool das früher einmal war, das bunte Leben rund um den Odessa-Anker am Marc-Aurel-Ufer.
Foto: Wolfgang Ley